Westfalen-Blatt vom 8.8.2008

Varus-Lager an der Weser ausgegraben

Archäologen: Hier war er vor der Schlacht

Porta Westfalica (WB/dk). Sensationelle Entdeckung an der Weser. »Wir haben höchstwahrscheinlich das Sommerlager des Varus gefunden, bevor er im Jahre 9 nach Christus in die Schlacht zog«, sagte gestern der stellvertretende Chefarchäologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Daniel Bérenger, in Porta Westfalca (Kreis Minden-Lübbecke).

Unweit des Kaiser-Wilhelm-Denkmals im Stadtteil Barkhausen stieß der griechische Metallsondengänger Vassilios Efstratiadis zwischen dem 7. und 9. Juli auf eine Gewandspanne sowie auf römische Münzen und eine keltische aus der Regierungszeit des Kaisers Augustus (31 vor bis 14 nach Christus).

Während die silberne und die beiden bronzenen Münzen römischen Legionären gehörten, hätten Hilfstruppen aus Nordfrankreich mit keltischen bezahlt. Inzwischen haben die Archäologen außerdem Schuhnägel der Soldaten, Bleilote und einen Mühlstein gefunden. »In dieser Gegend ist immer wieder das Sommerlager des Varus vermutet worden«, erläuterte Bérenger, der von der »schönsten Entdeckung seit 1950« schwärmte. Damals war in der Gegend eine römische Goldmünze aufgetaucht. Statthalter Varus sollte für Kaiser Augustus Germanien erobern, wurde aber mit seinen drei Legionen vernichtend geschlagen.

Römerlager in Porta Westfalica

Ein Kommentar von Dietmar Kemper

Der Mythos Varusschlacht lebt

Kurz vor der 2000-Jahr-Feier der Varusschlacht bergen die Entdeckungen in Porta Westfalica Brisanz. Der Bürgermeister der Stadt, Stephan Böhme, schlug gestern schmunzelnd vor, der Mühlenkreis Minden-Lübbecke könne sich ja jetzt Varus-Kreis nennen. In jedem Fall will der Kreis das Sommerlager des römischen Statthalters touristisch für sich nutzen. Bislang hatten Lippe und Kalkriese das geschichtsträchtige Ereignis für sich reklamiert. Aber nun wurde ein Lager nicht vor der Kulisse des Hermanns-, sondern des Kaiser-Wilhelm-Denkmals freigelegt.

Die Diskussion über Vorgeschichte und Ort der Schlacht im Jahre 9 nach Christus wird neu angefacht. Um nicht Öl ins Feuer zu gießen, vermied Archäologe Daniel Bérenger gestern geschickt die Antwort auf die Frage, wer nach den jüngsten Funden die besseren Karten hat. »Der Ort der Schlacht hat mich nie interessiert, die Infrastruktur der Römer vor dem Kollaps ist interessanter als der Kollaps selbst«, sagte der 59-Jährige ausweichend.

Es zeigt sich immer deutlicher, wie klug die Entscheidung des Landesmuseums in Detmold war, sich bei der Ausstellung 2009 auf den Mythos der Schlacht zu konzentrieren. Der ist nach 2000 Jahren ungebrochen.