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Westfalen Blatt vom 14.10.08: Von Siegern, Verlierern und Legenden

Thomas Mielke spricht von gefälschtem Varus-Bild – Autor stellt neues Buch in Vlotho vor

Von Joachim Burek

Vlotho (VZ). Das Jubiläum der Varus-Schlacht zum 2000. Jahrestag in 2009 ist in aller Munde. Der Berliner Autor Thomas R. P. Mielke, der viele Jahre in Vlotho gelebt hat, geht in seinem neuen Roman »Die Varus-Legende« (Scherz-Verlag) auf Spurensuche. Am Dienstag, 21. Oktober, wird er sein neues Werk auf Einladung der Buchhandlung »Regenwurm« in der Weserstadt vorstellen. VZ-Redakteur Joachim Burek sprach mit dem Autor.

Stimmt es, dass das Hermannsdenkmal eigentlich in Vlotho stehen sollte?

Mielke: Ja, Ernst von Bandel hat bei seinen Wanderungen am Großen Weserbogen tatsächlich erwogen, das Denkmal auf dem Winterberg oder dem Amtshausberg zu errichten. Das steht in seinen Tagebuchaufzeichnungen. Und das erwähne ich auch so in meinem Roman.

Was war für Sie der Anlass, jetzt diesen Roman zu schreiben?

Mielke: Seit einigen Jahren gibt es bekanntlich heftigen Streit darüber, wo denn die angebliche Schlacht stattgefunden hat. Das aber weiß kein noch so schlauer Experte: kein Archäologe, Numismatiker, Historiker oder Lokalpolitiker – ich auch nicht. Fest steht nur, dass Varus den Sommer Jahr 9. n. Chr. am großen Weserbogen zugebracht hat – 2009 vor zweitausend Jahren also. Und da ich hier zu Hause bin, habe ich mir mal genauer angesehen, wie Legende eigentlich entstanden ist.

Sie haben Ihrem neuen Roman den geheimnisvollen Titel »Die Varus-Legende« gegeben. Wo sehen Sie die Legendenbildung?

Mielke: Es ist doch merkwürdig, wie der Oberbefehlshaber einer imperialen Besatzungsarmee, der zusammen mit dem späteren Kaiser Tiberius als Konsul an der Planung der neuen Provinz Großgermanien mitgearbeitet hat und mit einer Großnichte von Augustus verheiratet war, von den späteren römischen Gesichtsschreibern abqualifiziert wird. Da ist Geschichte ganz massiv und nachweislich gefälscht worden. Das begründe ich auch in meinem Buch.

Sie stellen Varus in den Mittelpunkt Ihres Romans. Was hat Sie an der Figur dieses römischen Feldherren interessiert, der schließlich der Verlierer der Schlacht war?

Mielke: Ich wurde stutzig, als ich las, dass dieser angeblich so schlaffe Varus zuvor auch Berater und römischer Aufpasser von König Herodes dem Großen – dem aus der Weihnachtsgeschichte – gewesen ist. Und dass er bei den Aufständen der Judäer nach dessen Tod sowohl den Tempelschatz als auch das Gewand des Hohenpriesters in Jerusalem gerettet hat. Der Mann wusste also, was Partisanen, Aufstand und Guerilla-Kampf bedeuten. Und er war keinesfalls ein römischer Verwaltungsfuzzi oder ein bornierter General Custer, der den edlen germanischen Indianern ahnungslos ins rostige Messer lief.

Wie sehen Sie die Rolle des Arminius?

Mielke: Das ist die schwerste aller Fragen. Schließlich war das Denkmal von Arminius-Hermann immer eine Art Leuchtturm meiner Heimat für mich. Allerdings hat mich der Blut- und Boden-Mythos und der Germanenkult schon als Kind gestört. Außerdem war der geborene Cherusker Arminius immerhin ein geadelter Ritter des römischen Imperiums und Oberst im Stab von Varus, als er sich gegen ihn wandte. Ich akzeptiere Arminius daher in seiner Rolle als Mitverantwortlichen am Massaker im Teutoburger Wald, durch das die römischen Eroberer gestoppt und schließlich ganz vertrieben wurden. Aber wie edel, egoistisch oder verräterisch er wirklich war, kann ich nicht beurteilen. Nach allem, was ich bisher herausgefunden habe, war er eher ein Rädchen in einer viel größeren Intrige Roms.

Nach der Frankfurter Buchmesse startet Thomas Mielke seine Lesereise in die Region, die ihn am 21. Oktober in die Weserstadt führt, wo er von 19.30 Uhr an im Cafe Solero (angefragt) liest.